Schloss Grafeneck
Schloss Grafeneck ist ein Schloss bei Gomadingen, in unmittelbarer Nachbarschaft zum Haupt- und Landgestüt Marbach und Münsingen. Im nationalsozialistischen Deutschland wurde es als Tötungsanstalt Grafeneck genutzt. Heute ist es eine Gedenkstätte und es werden Hilfsangebote der Behindertenhilfe und Sozialpsychiatrie zum Wohnen und Arbeiten für Menschen mit geistigen Behinderungen und chronisch psychischen Erkrankungen angeboten.
Beschreibung
Fünfzig Jahre nach den Morden entstand 1990 unter dem Leitgedanken: „Das Gedenken braucht einen Ort“, die Gedenkstätte Grafeneck. Die Gedenkstätte wurde 2005 um das Dokumentationszentrum erweitert, worin sich heute eine Dauerausstellung befindet.
Grafeneck - Geschichte und Gegenwart
Der Geschichtsort Grafeneck
blickt auf eine fast eintausendjährige Vergangenheit zurück. Grafeneck
erfährt durch die Jahrhunderte einen tiefgreifenden Wandel. So entsteht
in der Zeit der Renaissance um 1560 an der Stelle der
hochmittelalterlichen Burganlage ein Jagdschloss der württembergischen
Herzöge. Dieses wird in der Mitte des 18. Jahrhunderts durch Herzog Carl
Eugen zu einer eindrucksvollen barocken Sommerresidenz erweitert.
Das
19. Jahrhundert sieht den Niedergang des Schlosses. Grafeneck zerfällt
und einzelne Gebäude werden „auf Abbruch verkauft“. Das Schloss dient
als Forstamt bis es schließlich zu Anfang des 20. Jahrhunderts in
Privatbesitz gelangt. Im Jahr 1928 erwirbt es die evangelische
Samariterstiftung in Stuttgart, die das Schloss in ein Behindertenheim
für „krüppelhafte“ Männer umwandelt. Kurz nach Beginn des Zweiten
Weltkrieges, im Oktober 1939, wird Grafeneck für „Zwecke des Reichs“
beschlagnahmt.
Von Januar bis Dezember 1940 werden über 10.600
Menschen ermordet. Die Opfer stammen aus Krankenanstalten und Heimen in
Baden-Württemberg, Bayern, Hessen und Nordrhein-Westfalen.Nach der
Beendigung der Morde im Winter 1940/41 wird Grafeneck für die
„Kinderlandverschickung“, später von der französischen Besatzungsbehörde
genutzt und 1946/47 wieder an die Samariterstiftung zurückgegeben.Die
bei Kriegsbeginn aus Grafeneck vertriebenen behinderten Menschen, die
den Krieg überleben, ziehen erneut ins Schloss ein. Grafeneck ist
seither wieder ein von der Samariterstiftung genutzter Ort - Lebensraum,
Wohnort und Arbeitsplatz für behinderte sowie psychisch erkrankte
Männer und Frauen. Spuren, die an die „Euthanasie“-Morde erinnern,
werden bereits in den 1950er und 1960er Jahren sichtbar:
Zwei
Urnengräber, ein früher Gedenkort auf dem Friedhof der Einrichtung und
schließlich 1982 die erste Texttafel, die an die Verbrechen von 1940
erinnert. Der eigentliche Ort des Mahnens und Gedenkens, eine offene
Kapelle, entsteht 1990 mit dem Leitgedanken: „Das Gedenken braucht einen
Ort“. Die notwendige Ergänzung hierzu, ein „Ort der Information“, ist
seit Oktober 2005 mit dem Dokumentationszentrum Gedenkstätte Grafeneck
geschaffen. Es ist auch das Jahr in dem das Samariterstift Grafeneck
sein 75jähriges Bestehen begeht.
„Das Gedenken braucht einen Ort“
Mit diesem Leitgedanken entstand 1990 die Gedenkstätte Grafeneck.
Sie
ist heute die zentrale Erinnerungs- und Mahnstätte für die 10.654 Opfer
der nationalsozialistischen „Euthanasie”-Verbrechen in
Südwestdeutschland und damit für viele tausende Menschen ein Ort
individueller Trauer und kollektiven Gedenkens.
Die offene Kapelle
wurde nach den Plänen des Nürtinger Architekten Professor Weinbrenner
erbaut. Bauträger war die Samariterstiftung. Die künstlerische
Gestaltung der Gedenkstätte übernahm der Bildhauer Rudolf Kurz aus
Stimpfach.
Während eines internationalen Aufbaulagers im Sommer 1989
haben junge Menschen eine Natursteinmauer errichtet. Sie führt zur
Gedenkstätte hin. Ein Riss in der Rückwand der offenen Kapelle drückt
den Schmerz über den in Grafeneck begangenen Zivilisationsbruch aus.
Davor
befindet sich ein Altar aus blauem Granit. An seinem Sockel sind
verkrampfte, suchende und stützende Hände angedeutet. In den Altar ist
ein schlichtes Kreuz eingemeißelt.
Die stählernen Träger des Daches
der Kapelle erinnern an die Dornenkrone Jesu Christi. Das Dach selbst
bildet ein Fünfeck, das das 5. Gebot "Du sollst nicht töten" anmahnt.
Eine
in die Erde eingelassene steinerne Schwelle am Zugang zur Gedenkstätte
nennt die Namen der über vierzig Kliniken und Heime, aus denen die Opfer
zur Ermordung nach Grafeneck gebracht wurden.
Von der Gedenkstätte aus geht der Blick auf die Wiese, auf der sich 1940 das Tötungsareal befand.
Zur Erinnerungstopografie der Gedenkstätte Grafeneck gehören heute:
- die Gedenkstätte als offene Kapelle
- das Gedenk-/Namensbuch und der Alphabet-Garten
- der Friedhof mit dem frühen Gedenkort von 1962
- das Schlossgebäude als Sitz der Täter
- der Standort der nicht mehr erhaltenen Vernichtungsgebäude
- das Dokumentationszentrum
Besuch mit Gruppen
Das Standard-Seminar dauert ca. 2 Stunden und umfasst sowohl eine thematische Einführung in einem Seminarraum als auch einen Rundgang über das Gelände inklusive Dokumentationszentrum. Darüber hinaus werden pädagogische Programme mit Workshops angeboten, die ebenfalls den Rundgang über das Gelände und eine noch intensivere Auseinandersetzung mit dem Thema und den Ort Graneck beinhalten.
Insbesondere
für SchülerInnen ab 14 Jahren und Auszubildende in Gesundheits- und
Pflegeberufen wurden unterschiedliche Materialien und didaktische
Zugänge entwickelt.
Für BesucherInnen mit Lernbehinderungen werden zudem Seminare in leichter Sprache angeboten.
Samariter/innen in Grafeneck
An diesem Standort, sowie in der Stadt Münsingen und der Gemeinde Gomadingen bieten die Samariter/innen zeitgemäße Hilfsangebote der Behindertenhilfe und Sozialpsychiatrie zum Wohnen und Arbeiten für Menschen mit geistigen Behinderungen und chronisch psychischen Erkrankungen an.
Die Umsetzung des Auftrags „Teilhabe am Leben in der Gesellschaft“
orientiert sich am individuellen Betreuungsbedarf und berücksichtigt
dabei den aktuellen Stand der fachlichen Diskussion. Durch vielfältige Arbeits-, Wohn- und Freizeitangebote sowie
Unterstützungs- und Beratungsleistungen werden die
Klienten/innen zu mehr Selbständigkeit und Lebenszufriedenheit begleitet.
Mehr dazu findet ihr hier.
Kontakt
Adresse
Schloss Grafeneck
Grafeneck 3
72532 Gomadingen