Neujahrsempfang der Stadt Münsingen am 07. Januar 2024
In Münsingen findet Anfang des Jahres traditionell der Neujahrsempfang statt. Bürgermeister Münzing begrüßt das neue Jahr, gemeinsam mit Münsinger Bürgern und Gästen. In seiner Rede wies er auf die kleinen Dinge im Leben hin, Betrachtungsweisen in verschiedenen Facetten und dem Zauber, der jedem Anfang innewohnt.
Ich freue mich, dass wieder so viele unserer gemeinsamen Einladung zur Begegnung und zum Austausch zum Jahresbeginn gefolgt sind.
Seien Sie alle herzlich gegrüßt mit dem wohlbekannten Neujahrsgruß und Wunsch zum Jahresanfang:
Liebe Gäste, gehören Sie auch zu jenen, die das zu Ende gehende Jahr zwischen den Jahren betrachten und die Defizite auflisten oder in einer Generalabrechnung mit sich selbst Unerledigtes addieren? Und bei der Summenbildung des Jahres nur fahler Geschmack zurückbleibt?
Gehören Sie zu jener Fraktion, die das Geböller der Silvesternacht braucht, damit Ihre Selbstanklage nicht an Ihr eigenes Ohr dringt?
Aber vielleicht ist es ja gar nicht die Nabelschau, die in Ihnen unangenehme Gefühle aufkommen lässt, sondern die Kritik an dem, was andere nicht oder nicht in Ihrem Sinne erledigt haben?
Wie differenziert sind unsere Jahresrückblicke und die, die wir in den letzten Tagen in den Medien wieder verfolgen konnten?
Nehmen wir uns dabei Zeit, auch das vermeintlich Kleine, das angeblich Selbstverständliche mit in die Summenbildung unserer Jahresbilanz aufzunehmen?
Fokussieren wir uns nicht alle zu sehr auf die Highlights oder die Headlines – sowohl die ganz negativen als auch die ganz außergewöhnlich positiven?
Sehen wir dabei noch die vermeintlichen Selbstverständlichkeiten oder nehmen wir diese noch wahr?
Wäre unsere Betrachtungsweise nicht farblos, eintönig und ganz und gar unvollständig, wenn wir dies alles und noch viel mehr ausklammern würden?
Bei wem die globale Verantwortung am eigenen Gartenzaun und in einer ganz persönlich eingeschränkten Zeitzone endet,
wer Europa nur als Bürokratiemaschine versteht und nicht als die größte friedenserhaltende Wertegemeinschaft ansonsten souveräner Staaten,
wer die Bundesrepublik Deutschland nur als Staatsgebilde sieht und nicht als unsere Heimat,
wer das Grundgesetz im 75. Jahr seines Bestehens als Fessel und nicht als Rahmen, in dessen Grenzen wir uns frei entfalten können, versteht,
wer bei uns vor Ort nur das sieht, was noch nicht erledigt ist, aber nicht wahrnimmt, was täglich aufs Neue geleistet wird
und wer in Kriegen nicht auch die Menschlichkeiten und in Katastrophen nicht auch die Solidaritäten erkennt, dessen Leben ist wahrlich farblos, eintönig und damit trostlos.
Und wenn wir das Erlebte und Erfahrene schon so differenzierungslos, maximal in schwarz oder weiß reflektieren, umso mehr frage ich mich, wie erwarten wir das vor uns liegende Unbekannte?
Mit Skepsis, voller Angst und Ablehnung; voller Depression, der Unfähigkeit eine Zukunft zu konstruieren; ohnmächtig und vor dem ersten Schritt hinein ins neue Jahr nicht den kommenden Gipfel erblickend, sondern nur die Erwartung der Anstrengung oder des Absturzes vor Augen.
Wie jede Blüte welkt und jede Jugend
Dem Alter weicht, blüht jede Lebensstufe,
Blüht jede Weisheit auch und jede Tugend
Zu ihrer Zeit und darf nicht ewig dauern.
Es muß das Herz bei jedem Lebensrufe
Bereit zum Abschied sein und Neubeginne,
Um sich in Tapferkeit und ohne Trauern
In andre, neue Bindungen zu geben.
Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne,
Der uns beschützt und der uns hilft, zu leben.
Wir sollen heiter Raum um Raum durchschreiten,
An keinem wie an einer Heimat hängen,
Der Weltgeist will nicht fesseln uns und engen,
Er will uns Stuf‘ um Stufe heben, weiten.
Kaum sind wir heimisch einem Lebenskreise
Und traulich eingewohnt, so droht Erschlaffen,
Nur wer bereit zu Aufbruch ist und Reise,
Mag lähmender Gewöhnung sich entraffen.
Hermann Hesse schrieb dieses Gedicht „Stufen“ 61-jährig nach langer schwerer Krankheit in wahrlich den schwärzesten Jahren unserer deutschen Geschichte 1941 am Bodensee.
Hermann Hesse spricht dabei von dem Zauber, der jedem Anfang innewohnt.
Dies ist jedoch nicht der Zauber, der durch den Einsatz eines Zauberspruches „Abrakadabra“ oder „Simsalabim“ und den Einsatz eines Zauberstabes ausgelöst wird.
Und es sind vor allem auch nicht die Zaubertricks, der uns schaden Wollenden, die als dunkle oder braune „Mächte“ mit den Zaubersprüchen „Obscura“ verdunkeln oder „Confundo“ verwirren wollen.
Nein, Hermann Hesse dachte wohl eher an eine Zauberformel einer Einstellung:
Einer Einstellung der Zuversicht, der Freude am Neuen, dem persönlichen Tatendrang, der Freude, einer Euphorie, die uns weiterträgt, wenn der Anfang erst einmal gemacht ist.
An eine feste Überzeugung, die sich zusammenzufassen lässt im Bekenntnis:
Glaube, Hoffnung, Liebe.
Heute danke ich allen, die in Münsingen, im Kreis, im Land, im Bund, in Europa und in der Welt dazu beitragen, dass wir auch 2024 hoffnungsvoll beginnen dürfen.
Ich danke allen für ihren Mut, ihre Tatkraft, ihr Wirken.
Danke!
Sie alle geben mir täglich Grund zum Optimismus und zur Zuversicht!
Und enden möchte ich mit der Jahreslosung:
Alles, was ihr tut, geschehe in Liebe.